Selbstverschweinung

By Jens van Nimwegen

Published on Mar 12, 2011

Gay

AUS AKTUELLEM ANLASS

Wissenschaft

Porcos Auftritt bei Dr. Weegmann hat inzwischen eine Welle von Zeitungskommentaren und Leserbriefen ausgelöst. Es geht um die Erwähnung des Professors. Man hört ja in letzter Zeit so viel über nicht selbst geschriebene Doktorarbeiten. Liegt hier wieder so ein Fall vor? Ein charismatischer Pornostar, der sich auch noch mit einem akademischen Titel schmücken will, der aber wegen seiner vielen Verpflichtungen keine "Übersicht über die Quellenlage" behalten kann und seinen Professoren weniger wissenschaftlich als mit zwielichtigen Dienstleistungen zuarbeitet? Und überhaupt, an Schulen wird der eine Sexskandal nach dem anderen enthüllt -- wie sieht es denn an unseren Universitäten aus?

Die Universität ergreift die Flucht nach vorne. Der Leiter des Prüfungsamtes lässt sich zusammen mit Porco interviewen im dritten Programm. Das Interview erscheint in gedruckter Form in der Tagespresse und einem Universitätsblatt. Auch die Siegessäule berichtet darüber. Abgebildet wird Porco bei Weegmann in seinem offenherzigen Sweatshirt, aber beim Fernsehinterview trägt er genau wie der Leiter des Prüfungsamtes einen eleganten Anzug mit Seidenkrawatte. Ohrring und Nasenring bilden einen erregenden Kontrapunkt. Es sollten mehr gutaussehende Männer zum Anzug solche Ringe tragen.

Die Botschaft des Prüfungsmannes ist klar. Zu allererst will er sagen dass die Universität stolz auf Studenten wie Porco ist, der ausgezeichnete Leistungen erbringt obwohl er daneben noch einen ungewöhnlichen und sicher anstrengenden Beruf hat. Ja, er wisse, das hätten auch schon ganz andere vorgewandt. Gerade darum müsse man eben jeden Einzelfall gut anschauen. Er habe sich zunächst einmal Beispiele der filmischen Arbeit dieses prominenten Studenten angeschaut, rein um zu wissen, um wen es gehe. Er sei beeindruckt von der Qualität und Gründlichkeit, auch wenn das nicht unbedingt sein Geschmack sei. Hier in Berlin habe man keine Vorurteile, sicher nicht an Universitäten, "und das ist gut so." Und, ja, er vermute, was dieser Student hier im Moment eigentlich lieber tun würde als, eh... Er stockt, und Porco hilft aus: "hier herumzuquatschen. Ja, kann sein, aber ich kann die beiden Bereiche auch trennen. Sie sollten wissen, dass Spanier ihre Ehre haben. Vielleicht sogar mehr als der deutsche Adel." Bei dem damals bei Weegmann erwähnten Professor höre er zwar eine Vorlesung, weil sie ihn interessiere, aber er würde sich nie von ihm prüfen lassen. Sie beide wären doch froh, einander privat zu kennen und wollen das nicht trüben mit Doppelbödigkeiten. Seine Beziehung zu Prüfern und dem Doktorvater dagegen sei eine rein wissenschaftliche. Erstens, weil er selbst eine ehrliche Note wolle und seine Quellenlage durchaus überschaue. Es gehe ihm auch nicht um den Titel, ihn interessiere seine Arbeit wirklich. Zweitens, weil er niemanden in Verlegenheit bringen wolle, weder Dozenten noch die Universität. Wenn die Leute doch mal bitte begreifen würden dass ein hart arbeitender Pornostar eher ein Ehrenmann sein könne als mancher Politiker. Drittens schreibe er keine sogenannte Literaturarbeit. Zu seinem Thema gebe es überhaupt kein Material, aus dem man schöpfen könne. Alte Handschriften entziffern, übersetzen, vergleichen und Fragmente zusammensetzen -- das solle ihm doch bitte mal jemand vormachen.

"So was staubiges?" fragt die Moderatorin? Nun ja, er klärt Porco, er müsse ja in viele Archive und Bibliotheken, und da würde man doch immer wieder interessante Männer kennenlernen. Bibliothekare gebe es in jedem Alter, und die meisten wären weit weniger verstaubt als man vielleicht denke. Höchstens am Arbeitsplatz etwas einsam. Jedenfalls habe er doch immer wieder interessante Erlebnisse zwischen den Regalen. Wohlgemerkt: Bibliothekare sind keine Prüfer. Wenn man sich gegenseitig die Arbeit interessanter macht, ändert das doch nichts an der wissenschaftlichen Leistung. Er könne jedem Studenten nur raten, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden.

Vielleicht ist das Ganze vorher abgesprochen, aber die beiden nehmen jeder Kritik den Wind aus den Segeln. Der Prüfungsmann fasst zusammen: Die Universität achte genau darauf, dass alle Noten das benoten, was sie benoten sollen, und nichts anders. Dass sich manchmal Dozenten und Studenten ineinander verlieben, sei unerwünscht, aber von allen Zeiten, und man müsse als Universität im Einzelfall damit sorgfältig umgehen. Und wie manche Studentinnen so herumlaufen würden, das wäre zahlenmäßig ein viel größeres Problem - wenn es denn eines wäre. Wer hier schlüpfrige Gedanken hätte, sollte erst einmal seine eigenen Vorurteile untersuchen. Das Interview wird zu einer kurzen, aber überzeugenden Werbung für die Universität. Und eine Foto-Postkarte von Porco im Anzug verkauft sich sehr gut. ---------------------------------------

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Jens van Nimwegen

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